Friedensaktivist Jürgen Grässlin

Im Clinch mit der Rüstungsindustrie

34:06 Minuten
Jürgen Grässlin sitzt in einem Kinosaal und lächelt in die Kamera
"Ich muss recherchieren, ich muss publizieren", sagt der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin. © imago/Future Image/C.Hardt
Moderation: Klaus Pokatzky · 06.02.2019
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Der Freiburger Lehrer Jürgen Grässlin zählt zu den engagiertesten Rüstungsgegnern Deutschlands. Insbesondere der deutschen Rüstungsindustrie ist er ein Dorn im Auge: Die Politik biete den Konzernen zu viele Schlupflöcher, kritisiert er.
Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Wahrheit ans Licht zu bringen: Dass deutsche Konzerne Waffen an Schurkenstaaten und in Krisenherde exportieren, ist für den Aktivisten Jürgen Grässlin der wahre Grund für viele Kriege. Nach seiner Berechnung sterben weltweit jeden Tag mehr als 100 Menschen durch deutsches Kriegsgerät.
Als er als Bundeswehrsoldat auf Pappkameraden schießen musste, wurde Jürgen Grässlin bewusst, dass er als Soldat im Ernstfall töten würde. Den Wehrdienst hat er darum vorzeitig verlassen, er wurde Lehrer - und entschlossener Friedensaktivist. Seine Bücher und Filme erzählen seit über 30 Jahren vom Leid, das Waffen aus deutscher Produktion in alle Welt bringen.
"Es reicht nicht, zu blockieren, Werkstore zu verschließen, symbolische Akte zu vollziehen. Sondern ich muss recherchieren, ich muss publizieren."

Rüstungskontrollen "so löchrig wie ein Schweizer Käse"

Seine besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Firma Heckler & Koch, dem größten deutschen Hersteller von Pistolen und Gewehren. Jürgen Grässlin besitzt zwei Aktien des baden-württembergischen Unternehmens, was ihn zur Teilnahme an dessen Hauptversammlungen berechtigt. Dort piesackt er den Vorstand mit hartnäckigen Nachfragen zum Export von H&K-Waffen. Und er hat die Firma verklagt, wegen einer Waffenlieferung nach Mexiko. Das Urteil wird noch für diesen Februar erwartet.
Dass der Prozess überhaupt stattfindet, hält Grässlin schon für einen Erfolg: "Der Prozess hat mit Sicherheit eines gezeigt: Das Rüstungsexport-Kontrollregime, das die Bundesregierung ja immer wieder lobt, ist löchrig wie ein Schweizer Käse."
Darum hat Jürgen Grässlin auch schon Klage gegen ein weiteres deutsches Rüstungsunternehmen eingereicht. Die Motivation für seinen Kampf gegen die Kriegswaffen-Industrie bezieht er aus seiner christlichen Erziehung: "Für mich ist die Bergpredigt bis heute sicherlich der prägende Text meines Lebens, der mich dazu geführt hat, Pazifist zu werden, diesen Weg konsequent zu beschreiten."

Nicht 100-prozentig gegen Militär

Wobei der Pazifist Jürgen Grässlin in seinem Beruf als Lehrer seine Schüler nicht einseitig beeinflussen will:
"Sie können ganz sicher sein, dass es bei mir keinen Unterricht gibt, wo es heißt: Die Bundeswehr ist böse und die Friedensbewegung ist lieb. Sondern wir stellen beide Modelle vor, die Schülerinnen und Schüler diskutieren und bilden sich eine eigene Meinung. So verstehe ich Demokratie und demokratische Erziehung."
Zumal Grässlin einräumt, dass manchmal eben doch das Militär einschreiten muss oder müsste, um Menschenleben zu schützen:
"Nehmen Sie mal das Warschauer Getto, die bestialische Ausrottung von Juden, nehmen sie Srebrenica und die Ermordung von 7000 - 8000 Bosniern. Viele weitere Fälle, Ruanda... Es gibt Grenzfälle, wo ich auch sage: Wenn da Soldaten sind, können sie nicht wegschauen.
Aber mein Ansatz ist ein anderer: Versuchen wir doch erst einmal dafür zu sorgen, dass es diese Srebrenicas und diese Warschauer Gettos und diese Ruandas gar nicht mehr gibt. Ein Land wie Ruanda stellt keine eigenen Waffen her, die müssen importiert werden."

Für ein Verbot von Rüstungsexporten

Wegen der Rüstungsexporte sind die großen Waffenhändler wie die USA oder Russland, aber auch Deutschland und deutsche Konzerne in vielen Ländern verhasst, sagt Jürgen Grässlin. Darum müssten Gesetze her, die den Export deutscher Waffen grundsätzlich regeln:
"Ein grundsätzliches Rüstungsexport-Verbot steht an oberster Stelle unserer Forderungen."
(pag)
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